Die bei Panini erscheinende „Marvel Must-Have“ Serie fasst denkwürdige und wichtige Geschichten der Marvel-Historie zusammen. In dieser Ausgabe, dem „Marvel Must-Have: Spider-Man Noir“ begeben wir uns in die Untiefen des Spider-Verse. Wie auch andere Exemplare dieser „Must-Have“ Editionen kommt diese Hardcoverausgabe mit zahlreichen zusätzlichen Informationen und einer Kontextutalisierung der Künstler und des Entstehungszeitraums daher. Geschrieben haben der Spawn-Autor David Hine und Fabrice Sapolsky. Jene zwei Autoren waren wohl auch der Grund für den Ausbau des Marvel-Kosmos ins Genre Noir. Der Künstler Carmine Di Giandomenico, der mit seiner Arbeit an „Magneto: Testament“ zu großer Bekanntheit im Superhelden-Kosmos gelang, zeichnete diesen Auftakt für Peter „Noir“ Parker.
Eine weitere Origin
Wir befinden uns im New-York der frühen 1930er. Die Stadt versinkt in Korruption und wird vom Unterweltboss Norman Osborn im Würgegriff gehalten. Der junge Peter Parker ist gerade im Begriff Journalist zu werden. Sein Protegé Ben Urich, ein gestandener Reporter des Daily Bugle, hängt jedoch selber schon zu tief in den Machenschaften. So wird schnell der Konflikt aufgemacht, der diesen Comic bestimmen soll; Moral und Macht. Es wird innerhalb weniger Seiten klar, dass Ben Urich seine Integrität längst an das organisierte Verbrechen verlor.
Als der Idealist Peter Parker seinem Bauchgefühl folgt, um Osborn und seine korrupten Machenschaften offenzulegen, wird er eine unveränderliche Metamorphose durchmachen. In einem abgelegenen Lagerhaus wird eine mystische Skulptur mit tödlichen Kräften nach New-York geschmuggelt. Die Kraft dieses Totems eines Spinnengottes nimmt einigen Schergen das Leben, doch schenkt dem Besitzer des reinen Herzens unermessliche Kräfte. Peter Parker wird zu Spider-Man. Die Idee eines Totems und einer Göttlichkeit nutzten auch andere Autoren, um so beispielsweise „Kravens letzte Jagd“ oder den aktuell existierenden „Orden“ der Spinnen-Menschen sinnvoll zu sammeln.
Mit seinen erlangten Kräften kommt die für die Geschichte Spider-Mans gewöhnliche Frage nach „Großer Kraft und großer Verantwortung“ daher, die sogleich auf die Probe gestellt wird. Ein erfolgreiches Attentat auf den das Komplott aufdecken wollenden Ben Urich durch niemand geringeres als J. Jonah Jameson bildet nun das Gerüst dieses Comics. Parker geht mit Revolver bewaffnet den Machenschaften des organisierten Verbrechens auf die Spur. Dabei wird er, wie auch die Lesenden, von einigen unerwarteten Wendungen in der Geschichte erfasst.
Stilsicher abgeliefert
Das Setting bedingt eine gewisse künstlerische Ausarbeitung, um nicht gänzlich ironisch zu wirken. Carmine Di Giandomenico gelingt dieser Spagat zwischen atmosphärischer Noir-Story und Superheld. Seine Designs, die sich durch eine eher kantige Optik auszeichnen, in Verbindung mit den Perspektiven jedes der mindestens zwei darin verarbeiteten Genres treffen auf den Punkt. Eine raues, dunkles und zwielichtiges Setting, wie die von der großen Depression schwer getroffene Stadt New-York, wird effektvoll durch die Auswahl der Farben unterstützt. Die sich durchziehende Tonalität nah an braunen und orangen Farben verstärken den Retro-Sepia-Look ungemein.
Jedoch muss man feststellen, dass diese Ausgabe ebenso konventionell in ihrer Thematik der organisierten Bandenkriminalität, wie auch dem Layout erscheint. Nur wenige Ausnahmen von der rigide angeordneten Panelstruktur lüften diesen staubigen Eindruck. Jene wirken dafür umso eindrücklicher auf das Geschehen und sind zudem auch gut inszeniert. Allerdings bleibt dieser Comic in seiner Erzählung und der Machart ein eher verhaltener und konservativer Vertreter einer andersartigen Spider-Verse-Geschichte.