Usagi Yojimbo 06 – Kreise

16. April 2022
2 Minuten Lesezeit

Bereits zum sechsten Mal findet das tierische Samurai-Epos hier seinen Platz.

„Usagi Yojimbo“ ist ein Samurai und Hase, der durch ein fiktives Japan als Ronin streift und allerhand Abenteuer erlebt.

Der alleinige Schöpfer Stan Sakai hat über den Erscheinungszeitraum einen zweimonatigen Rhythmus im Heftformat gewählt. Dies übt nicht nur Druck auf den Kreativen aus, sondern führt zumeist dazu, dass eine kohärente Geschichte und überspannende Handlung erzählt werden können.

Die vom Dantes Verlag im Format eines etwas kleineren Paperbacks gesammelten Hefte umfassen den Zeitraum Ende 1990 bis Anfang 1991.

Folklore und Heldenreise

Zu Beginn dieser Ausgabe wird der Titelheld in voneinander losgelöste Abenteuer geworfen. Einige der darin angedeuteten Aspekte und Figuren greift der geschickte Autor allerdings im späteren Verlauf noch einmal auf. Etwas, das dem Titel „Kreise“ um eine weitere Ebene gerecht wird.

Die in den Kurzgeschichten erzählten Episoden bewegen sich zwischen Folklore, Ehrenmord, Betrug und fantasievoller Ausgestaltung des klassischen Motivs der Rettung der Prinzessin. In allen diesen Kapiteln zeigt Sakai, dass es ihm ein Leichtes ist, die Mythologie, Aberglaube, Archetypen der Erzählung und tragische Figuren zu erzählen. Schon diese erste Hälfte der Ausgabe verrät viel über das Rezept Sakais: Tragik der Figuren gepaart mit einem zurückhaltend respektvollen Protagonisten, für den kein Gegner zu stark scheint.

In der zweiten Hälfte geht es prompt reich an Action los. Usagi rettet von Banditen überfallene Bauern, die er auf dem Weg in sein lange Jahre nicht besuchtes Heimatdorf antrifft. Sein Ziel ist das bereits im zweiten Band kurz eingeführte Dorf, das von seinem größten Konkurrenten seiner Kindertage „regiert“ wird. Kenichi ist der Dorfvorsteher und mittlerweile Ehemann seiner Jugendliebe Mariko, die einen gemeinsamen Sohn haben. Bereits auf dem Weg zu besagtem Dorf wird sehr überraschend eine Figur auftreten, die interessante und für den Ethos Usagis aufschlussreiche Dialoge bereithält.

Die umliegenden Dörfer berichten von Banditen, die von einem Dämon angeführt werden. Ein Dämon mit weißen Augen, grollender Stimme, langen Haaren und dem Ziel, Usagi schlussendlich das Leben zu nehmen. Es ist eine bekannte Figur, ebenfalls aus den ersten Ausgaben dieser Reihe stammend, die nun diesen großen Kreis schließen will. Eine Entführung wird instrumentalisiert, um an Usagi heranzukommen und sich seiner Rache zu versichern. Doch damit nicht genug. Das Ende dieser sechsten Ausgabe macht etwas, das der Figur Usagi so viel mehr Tiefe verleiht, als es irgendeine bisherige schaffen konnte. Es erweitert das Wesen des herrenlosen Samurai und verleiht ihm ein weiteres Mal eine herzergreifend stoische Leidensfähigkeit, wie man es nur einem Samurai abverlangen könnte.

Als kleines Extra hat man dieser Ausgabe ein Kapitel des „Space Usagi“ angefügt. Dies ist der erst Band, der die Science-Fiction-Abenteuer des besten Samurai der Tierwelt präsentiert. Ein eigenständiges Spin-off mit diesem Setting lief von 1992 bis 1994.

Der Stil

Die Welt, die Stan Sakai sich erdacht hat, zeigt anthropomorphisierte Tiere, die in traditioneller Kleidung ihrem ganz gewöhnlichen Alltagstreiben nachgehen. Die Designs ähneln sich zunehmend, vor allem bei den gewöhnlichen und weniger relevanten Figuren seiner Geschichten. Dies ist jedoch keineswegs störend oder irgendwie auffallend, da sie häufig nur Plot-Devices sind.

Usagi wird in dieser Ausgabe einige Male in sehr aggressiver und kriegerischer Weise dargestellt. Etwas, das auch schon vorher passierte, hierhin jedoch kräftiger und gewaltvoller wirkt.

Auffallend an Sakais Stil ist auch, dass der grundlegend helle Ton seiner Bilder in mehreren Panels kräftige Tuscheflächen, gepaart mit vielen Schraffuren stark kontrastiert. Viele der Oberflächenstrukturen entstehen durch kleine Linien und Punkte, die dem Ganzen einen sehr belebten Eindruck verleihen. Hin und wieder lassen sich außerdem Anspielungen auf Malereien entdecken. Beispielsweise steht Usagi in einer Szene vor einem Himmel, der ähnliche Muster wie die Himmelsmalereien Van Goghs andeuten. Natürlich in reduzierter Form, also schwarzen Tuschestrichen, aber die Formgebung ist sehr eindeutig und erzeugt ein ähnliches Gefühl bei der Betrachtung.

Auffallend in diesem sechsten Band sind die Gesichtsausdrücke, die Stan Sakai seinen handlungstragenden Protagonisten verliehen hat. Sie zeigen eine Empfindsamkeit, die bisher keinen Platz hatte, und es funktioniert wirklich wunderbar.

Fazit
„Usagi Yojimbo“ ist und bleibt einfach der beste Samurai-Comic, den man finden kann. Die Figuren brillieren, zeigen sich vielschichtig und abwechslungsreich, während man sich als Leser:in durch Legenden und altbekannte Erzählungen begeistert durchwälzt. Es macht immer noch genauso Spaß, wenn nach dieser Ausgabe nicht sogar ein gutes Stück mehr, den furchtlosesten und besten langohrigen Schwertkämpfer der Comic-Welt bei seinem Treiben zu begleiten. Eine herzliche Empfehlung für alle Japan-Fans und begeisterte Leser:innen einer gut umgesetzten Heldengeschichte.
Pro
Reichhaltiges Geschichtenerzählen mit Folklore-Elementen, fesselnder Charakterentwicklung und ausdrucksstarker Grafik.
Kontra
Anthropomorphisierte Charakterdesigns können ähnlich aussehen.
10

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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