X-Men: X of Swords 1

28. Januar 2022
4 Minuten Lesezeit

Mit dem neuen Status quo der Mutanten haben sich scheinbar endlose Möglichkeiten aufgetan. Jonathan Hickmans Konzept vermischt Mythologie, Mystik und typische Konflikte der Mutanten zu einer spannenden und komplexen neuen Welt. „X-Men: X of Swords“ (10 der Schwerter) begibt sich raus in die unendlichen Welten, rein in die Mythologie des Apocalypse und bindet 10 unterschiedliche Comic-Reihen in eine kohärente Geschichte. Dieses über 320 Seiten starke Paperback wartet mit Top-Autor:innen und Künstler:innen auf. Viele der 10 Kapitel werden vom Stammkünstler:innen-Team der laufenden Serien umgesetzt.

Den Plot von Anfang und Ende erdachte sich Jonathan Hickman persönlich mit zeichnerischer Finesse von Pepe Larraz an Creation (Kapitel 1) und Mahmud Asrar an den „X-Men“ (Kapitel 10). Darauf folgend verfasste Leah Williams und Carlos Gomez zeichnete den Teil der Reihe „X-Factor“. Kapitel 3 aus „Wolverine“ und 4 der „X-Force“ haben der neue Stammautor Benjamin Percy und Zeichner Viktor Bogdanovic gestaltet. Die Perspektive der „Marauders“ hat Vita Ayala geschrieben und einer der Hauptzeichner der aktuell laufenden Reihe, Matteo Lolli, zeichnete im bekannten Stil.

Die bisher noch nicht in Deutschland erschienene sehr witzige Reihe „Hellions“ schrieb Zeb Wells und ließ die Worte mithilfe von Carmen Carnero lebendig werden. Der Autor Ed Brisson und Zeichner Rod Reis steuerten das Kapitel 7 aus der Reihe „New Mutants“ bei. Als Veteran der Neunten Kunst darf auch Gerry Duggan als Autor an „Cable“ nicht fehlen, dessen Plot von Phil Noto zeichnerisch umgesetzt wurde. Den Weg zum Finale dieses ersten massiven Paperbacks verfasste Tini Howard, die außerdem mit Hickman am Einstieg arbeitete. Zusammen mit R.B. Silva kreierten sie das neunte Kapitel aus der Reihe der „Excalibur“.

Dieser aus vielen Teilen dezidiert zusammengeschmiedete erste Teil einer groß angelegten Handlung erschien bei Panini Comics und wird mit 24 Kapiteln abgeschlossen sein. Im Anhang finden sich eine umfangreiche Covergalerie namhafter Zeichner:innen.

X oder 10?

Bei so vielen „X-Titeln“ kann es schon mal zu Verwirrungen kommen, wenn es um die Aussprache geht. Es wird in dieser Geschichte allerdings recht schnell klar, dass es um 10 Schwerter geht und nicht die Schwerter des Professor X. Aber was ist denn eigentlich los, dass sich so viele Mutanten mit allen Mitteln 10 schnittiger Waffen bemächtigen müssen? Die Vorgeschichte, die diesem Konflikt zugrunde liegt, beginnt mit der Historie des Apocalypse. Einst der Vater aller Mutanten schuf er seine vier apokalyptischen Reiter Krieg, Tod, Hunger und Seuche, die sich im Gewand mythologischer Wesen der Antike präsentieren. Einst waren Krakoa Arakko eine Einheit, die durch das Zutun Apocalypses und seiner vier Reiter zerschlagen wurde. Nun befindet sich Krakoa als lebendige Insel und Lebensraum aller Mutanten auf der Erde. Doch der ewige Konflikt der Otherworld unter der Herrscherin Saturnyne schwelte tausende Jahre. Bis zu dem Zeitpunkt, als sich in „X-Men Neustart Band 2“ auf Krakoa ein Portal öffnete, durch das der Sohn von Apocalypse in die Welt eintrat. Nun soll dieser ungelöste Konflikt beendet werden.

Beim Versuch einer kleinen Einheit, Informationen oder gar eine Lösung zu ersehen, stirbt der Ur-Vater der Mutanten fast. Den übrigen Überlebenden wird eine Prophezeiung offenbart, die die Geschicke der Welt entscheiden soll. Es wird ein Turnier festgesetzt, um den Konflikt zu entscheiden. 10 mystische Schwerter mit ihren 10 auserwählten Kämpfern werden auf jeder Seite antreten. Auf dem Spiel steht das Schicksal allen Lebens auf der Erde, das durch die Krieger Arakkos beendet würde.

Auf dieser Ausgangslage beginnt die Suche nach den 10 Schwertern. In den jeweiligen Episoden, die den X-Men-Reihen entstammen, begleitet man meist eine Figur bei ihrer Quest. Dabei taucht man als Leser:in streckenweise in die Geschichte der Figur ein. Wie am Beispiel Wolverines oder Storms bietet es Einblicke und Referenzen zu längst vergangenen Ereignissen des X-Men-Kosmos. Man wird so in die mehr als 60 Jahre alte Welt der Mutanten hingezogen, eines Besseren belehrt und mit einer neuen Aufgabe und aktuellem Status quo in die nächste Episode entlassen. Einige Figuren erzählen sich über mehrere Kapitel, sodass es fast nicht auffällt, ob ein Reihenwechsel vorgenommen wurde.

Ein Megaband, sie alle zu einen und ewig

Wie immer bei X-Titeln ist der Figurenkanon extrem groß. In dieser speziellen Ausgabe sogar noch etwas größer, denn aus allen Ecken treten Held:innen auf die Bühne. Manches Mal wird erst im Verlauf klar (wenn man nicht allzu tief in der Mutanten-Welt steckt), in welchem Kontext und welchen Beziehungen einzelne Akteure zueinanderstehen. Die aufgebauten Dynamiken, Wendungen und verschiedenen Herangehensweisen der Charaktere sind jedoch interessant und bieten abwechslungsreiche Unterhaltung. Jedoch kann aufgrund der Fülle an Figuren, teils benötigtem Hintergrundwissen und bestenfalls Vertrautheit mit den laufenden Reihen der Lesegenuss etwas sperrig sein.

Die Tonalität der einzelnen Episoden reicht von sehr ernst, einem Familiendrama gleich wie in „Excalibur“ oder „Wolverine“ bis zu sehr leichten und zynischen Humor wie in „Hellions“. Die Vielfalt ist ebenso groß wie die Anzahl der Autoren, die alle ihren eigenen Charme mitbringen und diesen Megaband bereichern. Es erinnert vom Aufbau zudem sehr an ein Fantasy Role-Play-Game, in dem die Helden erst ihre eigenen Quests erledigen müssen, um mit der den Endgegner bezwingenden Waffe ins nächste Level zu gelangen.

Die Stile

Aufgrund der großen Anzahl an Zeichnern, Tuschern und Koloristen kann an dieser Stelle nicht explizit auf das visuelle Design dieses Megabandes eingegangen werden. Eines kann aber festgehalten werden. Die Vielfalt ist immens und facettenreich. Von rauen und düsteren Episoden bis zu knallig bunten Geschichten findet sich fast alles darin. Auch die Zeichenstile reichen von kantig und etwas detaillierter hin zu strukturarmen und glatten Designs, die man dieser Tage häufig in Superhelden-Comics findet. Einige wenige Kapitel stechen dabei in ihrer Gestaltung heraus; ob positiv oder negativ, sollte dabei jeder selber bewerten.

Dabei sollte man darauf hinweisen, dass auch in diesem X-Men-Titel Welten aufbauende Erläuterungstexte im Protokoll-Stil zu finden sind. Zum einen erhalten die Leser:innen eine ausführliche Einführung in die Völker und Strukturen der „Otherworld“. Zum anderen erfährt man, ab dem Zeitpunkt der Jagd auf die zehn Schwerter, woher die Klingen stammen und unter welchen Umständen sie geschmiedet wurden. Auf diese wie gewohnt sehr ausführlichen Zusatzinformationen wird im Laufe der jeweiligen Kapitel zwar nur selten Bezug genommen. Für den teils überkomplexen Weltenbau der Mutanten kommen diese Informationen jedoch genau richtig.

Fazit
Mit „X of Swords“ bahnt sich ein Ende einer Ära an. Der von Jonathan Hickman etablierte Status quo scheint in diesem mehrere Reihen überspannenden Event zu gipfeln. Das Setting, der Konflikt, die Figuren und die Vielfältigkeit machen diesen ersten Megaband reizvoll, wenn auch stellenweise zäh zu rezipieren. Die vielen eingebrachten Hintergründe der Figuren lassen einen manches Mal über Stellen hinweglesen, die sich einem nicht sofort eröffnen. Nichtsdestotrotz ist dieser erste Teil der Reihe „X of Swords“ vielversprechend unterhaltsam, spannend und für X-Fans ein Muss im Regal.
Pro
Faszinierende Mischung aus Mythologie und Mutantenkonflikten, zusammenhängendes Storytelling in 10 verschiedenen Serien, vielfältige und fesselnde Charakterdynamik.
Kontra
Die Fülle an Charakteren und Handlungssträngen mag für manche überwältigend sein.
9.4

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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