Chinas Geschichte im Comic – China durch seine Geschichte verstehen – Band 5

24. Februar 2022
2 Minuten Lesezeit

Historische Erzählungen sind immer einer Perspektive unterworfen. Sei es die der Autor:innen, deren Blickwinkel sich durch die Rechercheergebnisse auf Aspekte fokussieren, oder auch jene der Leser:innen, die je nach Vorbildung Zusammenhänge erkennen oder überlesen. Dieser fünfte Band von „Chinas Geschichte im Comic“ des Künstlers Jing Liu versucht die Komplexität der Historie in knapp umrissenen Etappen zu erzählen.

Die Geschichte Chinas ist nunmehr ungefähr 5000 Jahre lang. In diesem Exemplar widmet sich der Autor einer Phase, in der die größten Umwälzungen das Land veränderten. Wie auch die vorigen Ausgaben erscheint dieser historische Comic bei Chinabooks in zweisprachiger Ausführung; besonders interessant für Chinesischlerner.

Am Ende war ein Kaiser

Manchen mag die Geschichte des letzten Kaisers aus dem Film „Der letzte Kaiser“ bekannt sein. Welche Konsequenzen jedoch eine Abkehr von Jahrtausende anhaltenden Strukturen für ein so traditionalistisches Land wie China bedeutete, lässt sich hierin schrittweise verfolgen.

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts begann für viele Länder und Regionen mit der anhaltenden Kolonialisierung. China konnte sich den europäischen Großmächten und ihrem Einfluss auf die Weltordnung auch nicht erwehren. So konnte nur eine Konsequenz daraus folgen: Sie passten sich dem Weltmarktsystem an. Oder sollte man sagen, sie versuchten es. Denn nichts ist rigider als eine Jahrtausende alte dynastische Struktur. Der Wandel, die daran beteiligten Parteien, die Gründung der Kommunistischen Partei Chinas und das frühe Wirken Mao Zedongs werden in der ersten Hälfte dezidiert erläutert.

Im Weiteren sind die für die Welt wichtigen Kriegsjahre des Ersten und Zweiten Weltkriegs ein großer Teil dieses Comics. Wirtschaftlicher Ruin, militärische und politische Strukturen waren heftigstem Wandel unterzogen und standen des Öfteren an den Grenzen des nationalen Zusammenbruchs. Die Kosten und Folgen für die gemeine Bevölkerung finden sich in einigen schockierenden Zahlen – präsent, aber dennoch beiläufig zwischen den vielen Kriegsschauplätzen platziert – auf einigen Seiten. Dieser fünfte Band taucht so tief in Details ein, wie es bisher keiner der Vorgänger getan hat. Briefwechsel, Protokolle von Versammlungen und Reden dienen als Quellen und sind natürlich leichter zu recherchieren als mittelalterliche Texte kritisch zu betrachtenden Ursprungs.

Auch diese Ausgabe schafft es, den Werdegang des Chinas, das wir heute kennen, sehr nachvollziehbar, ja nahezu in logischer Kausalität aufbauend, zu beschreiben. Die vielen Details, die Akteure, die Komplexität und die Folgen einer alles verändernden Revolution werden in diesem Werk sehr deutlich. Es ist so komplex und umfangreich, dass es schwerfällt, nicht den Überblick zu verlieren, den man sich dann dank des Inhaltsverzeichnisses wiederbeschaffen kann.

Dunkler als zuvor

Sicherlich weil dieser fünfte Band viele Geschehnisse von Kriegen, Massensterben und Identitätsverlust erzählt, sind die Zeichnungen um einiges düsterer als zuvor. Der leichte und mühelose Tonfall, der von drollig gezeichneten Figuren repräsentiert wird, weicht einigen schweren und dunklen Panoramen und Doppelseiten. Eine immer nahende dunkle Bedrohung lässt sich wie die personifizierte Form eines Dämons in vielen Panels wiederfinden. Eine kollektive Angst vor der Zerstörung der chinesischen Identität, der anhaltende auf Ehrbarkeit und Ansehen basierende dynastische Gedanke, findet seinen Platz.

Auch in diesem Band lassen sich zudem Schaubilder, Diagramme und Größenvergleiche schön illustriert sehen. Mittels dieser Vereinfachung werden bereits in Monologen der Akteure gesprochene Inhalte nochmals präzise auf den Punkt gebracht oder unterfüttern vorher Angesprochenes ideal.

Die Frage nach der Perspektive ist vor allem in diesem Band sehr wichtig. Die Kolonialisierung, der Wettstreit mit westlichen Großmächten und die empfundenen Wertungen können aus der visuellen Gestaltung herausgelesen werden. Daher bedürfte es im Weiteren einer Kontextualisierung, die einen Vergleich zur westlichen Perspektive anstrebt, um die Schnittmengen und Unterschiede zu destillieren. Nichtsdestotrotz wirkt auch dieser fünfte Band der Geschichte im Comic atmosphärisch sehr eindrucksvoll und nachhaltig umgesetzt.

Fazit
„Chinas Geschichte im Comic – China durch seine Geschichte verstehen – Band 5“ gelingt etwas, das häufig missachtet wird. Neue Perspektiven und Blickpunkte werden einem eröffnet, die man so vorher nicht beachtet hätte. Der Künstler Jing Liu hat es wieder vollbracht, die in diesem Fall extrem komplexe Historie in einfachen Bildern und ohne viele Ausschweifungen didaktisch gut aufbereitet zu erzählen. Sollte man sich ob der Rolle Chinas im 20. Jahrhundert und dem Wirken bis in die heutige Zeit im Unklaren sein, so ist dieser Comic ein Muss! Zudem ist die zweisprachige Ausführung ein wirklicher Gewinn für jeden, den das Erlernen der chinesischen Sprache gepackt hat. Adäquate Atmosphäre trifft auf dichte historische Erzählung in Bild und Text.
Pro
Umfassende Erkundung entscheidender historischer Perioden, die Einblicke in gesellschaftliche Veränderungen bieten.
Kontra
Dunkler und ernster Ton in den Illustrationen, möglicherweise überfordernd aufgrund der Komplexität.
8.8

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

1 Comment

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Über Hünerfürst.de

Einer der bekanntesten deutschen Netzkultur Blogs seit 2009. Nils Hünerfürst und seine Familie schreiben hier auf Hünerfürst.de über Technik, Kultur, Essen und Videospiele.

Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

Sportwetten Tipps von Overlyzer
Vorheriger Beitrag

10 Things that annoy us about D.C.

Nächster Beitrag

Blue Giant Supreme

Letzten Beiträge von Blog

Der Magische Fisch

Der Comic „Der magische Fisch“ richtet sich, wie das Programm des Imprints Crocu des Ludwigsburger Verlags Cross Cult, ganz explizit an ein
Batman Justice Buster 2

Batman Justice Buster 2

In „Batman Justice Buster 2“ führt der Autor Eiichi Shimizu mit dem Zeichner Tomohiro Shimoguchi fort was sie im ersten Band groß

Dark
Light