Der Tunnel

30. September 2022
2 Minuten Lesezeit

Was haben eine alleinerziehende arbeitslose Mutter, ein Handyspielsüchtiger Junge, ein ambitionierter Archäologe, ein mit dem IS handelnder Antiquitätensammler und zwei palästinische Schmuggler gemeinsam? Außer der Tatsache, dass sie in einer der konfliktreichsten Regionen der Welt wohnen und alle ihre menschlichen Sorgen und Ängste haben, auf den ersten Blick nicht viel. Doch tatsächlich begeben sie sich in dieser Geschichte auf die waghalsige Suche nach der sagenumwobenen Bundeslade. Ob sie erfolgreich werden, wird in dieser Rezension natürlich nicht erzählt. Was Rutu Modan neben dieser Rahmenhandlung sonst noch behandelt, soll an dieser Stelle seinen Raum finden.

Die Handlung und Themen

Nili ist alleinerziehende Mutter des schwer nach Handyspielen abhängigen Jungens Doktor. Sie erhält von ihrem Bruder Broshi den Tipp, dass sich in der Sammlung des Antiquitätensammlers Abuloff eine der alten Keilschriften befinden soll, die ihr Vater damals als Archäologe selber nutzte. Sie soll den Weg zur Bundeslade beschreiben und Nili wittert ihre Chance auf ein Abenteuer und möglichen Ruhm.

So schafft sie es innerhalb kurzer Zeit, den Antiquitätenhändler, einen umtriebigen Geschäftsmann mit Mannschaft und Gerätschaften und sogar ihren einst skeptischen Bruder in die Suche nach dem mystischen Gegenstand zu involvieren. Es beginnt eine abenteuerliche und auch aufregende Suche nach einem der größten und sagenumwobenen Schätze der Welt. Währenddessen entstehen skurrile Ereignisse, die allesamt tiefe Einblicke in die Lebenswelt der Menschen Israels und des Westjordanlandes liefern.

Rutu Modan, 1966 in Tel Aviv geboren, beschreibt manchmal beiläufig, sodass es einen gleichzeitig nie mit erhobenem Zeigefinger belehren will, manchmal ganz direkt durch Dialoge oder Handlungen der Figuren, ein Stück der Mentalitäten der Menschen beider Seiten der Mauern des Westjordanlandes. Die israelische Siedlungspolitik, religiöse Auslegungen der Thora, alltägliche Probleme und Lösungen der israelischen Lebenswelt, das Streben nach Anerkennung in der Öffentlichkeit, menschliche Niedertracht und eine Suche nach etwas Unerreichbarem sind einige der Themen, die die Autorin und Zeichnerin dieses Werks spielerisch zu erzählen schafft.

Viele der angesprochenen Themen behandelt sie humoristisch, leichtfüßig und häufig mit einem Augenzwinkern. Manches (wie Sexualität oder die gelebte Religionsfeindlichkeit zwischen Israeliten und Palästinensern) streift Modan an und lässt einen mit einem Gefühl zurück. Wie man dann als Leser damit umgeht, ist eine persönliche Angelegenheit, allerdings bringt sie Themen auf den Tisch und kehrt sie nicht unter einen moralischen oder religiösen Teppich, um nicht darüber reden zu müssen.

Der Stil

Die Zeichnungen erinnern sehr an frankobelgische Werke. Ihre Zeichnungen sind ganz aufgeräumt, nicht viel mit Dimensionalität spielend, häufig simpel, aber sehr einfallsreich und in ihrer Bildsprache schon komisch auf ihre ganz eigene Art.

Allein die Eröffnungsszene, in der sich Doktor immer wieder gestört durch den Anruf Broshis seinem Handyspiel widmen will, lässt auf die spielerische Art Modans im Umgang mit dem Medium Comic Rückschlüsse zu. Die Panelstruktur ist dem konventionellen Stil geschuldet auch sehr regulär, obwohl sich hier und da einige originelle Ideen finden lassen.

Durch die Simplizität der Darstellung wirken die Figuren gezwungenermaßen mehr durch ihre Worte und Handlungen. Dies ist in Anbetracht der Thematiken und des Handlungsortes mehr als adäquat.

Fazit
„Der Tunnel“ ist ein komisches, gleichzeitig zum Nachdenken anregendes Werk. Die Kategorie „Graphic Novel“, in die der Carlsen Verlag diesen Comic einordnet, wird mit diesem Werk mehr als gerechtfertigt ausgefüllt. Rutu Modan gelingt es, ihre Kultur, die Motive dieser, einige Probleme damit und auch eine gehörige Menge Menschliches in ihrer Geschichte auszuerzählen. Als Einstiegspunkt in die Gesamtwerke Rutu Modans ist diese Graphic Novel eine wirklich gute Wahl und kann jedem, der sich für die Lebenswelten der Menschen an der Mauer Israels interessiert, eine gelungene Empfehlung sein.
Pro
Gute Einblicke in die Kultur, überzeugende Figurenkonstellationen und die hier behandelten Themen werden kritisch humorvoll angegangen.
Kontra
Der Zeichenstil (dies ist jedoch der subjektiven Vorliebe des Rezensenten geschuldet).
9

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

1 Comment

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Über Hünerfürst.de

Einer der bekanntesten deutschen Netzkultur Blogs seit 2009. Nils Hünerfürst und seine Familie schreiben hier auf Hünerfürst.de über Technik, Kultur, Essen und Videospiele.

Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

Sportwetten Tipps von Overlyzer
Vorheriger Beitrag

Die Online Casino Trends für das Jahr 2023

Nächster Beitrag

Mechanics Challenge Strike! von Geomag

Letzten Beiträge von Blog

Der Magische Fisch

Der Comic „Der magische Fisch“ richtet sich, wie das Programm des Imprints Crocu des Ludwigsburger Verlags Cross Cult, ganz explizit an ein
Batman Justice Buster 2

Batman Justice Buster 2

In „Batman Justice Buster 2“ führt der Autor Eiichi Shimizu mit dem Zeichner Tomohiro Shimoguchi fort was sie im ersten Band groß

Dark
Light