Fantastic Four – Tödlicher Kreislauf

13. Oktober 2022
3 Minuten Lesezeit

Es gibt nur wenige Künstler, die einen vergleichbar großen Einfluss haben wie Alex Ross. Dieser außergewöhnliche Zeichner, Maler und Kolorist ist zu Recht bereits zehnmal mit dem renommierten Eisner-Award für seine Arbeiten an Covern und Comics wie „Marvels“ und „Superman: Friede auf Erden“ ausgezeichnet worden.

Dieses jetzt zu besprechende großformatige Hardcover widmet sich der einst beliebtesten und aus den Anfängen Marvels stammenden Familie: Fantastic Four.

In „Fantastic Four – Tödlicher Kreislauf“ begibt sich Ross stilistisch wie auch erzählerisch auf nostalgische Reise. Dieser One-Shot erscheint beim Panini Verlag mit einem besonderen ausklappbaren Schutzumschlag, welcher mit einem kurzen Abriss der Historie der Protagonisten bedruckt ist.

Die Fantastischen Vier sind doch ein alter Hut!

Die Vielfältigkeit der Familie Richards ist seit jeher eins ihrer Merkmale und beliebtesten Eigenschaften. Intellekt, Charme, Temperament und Pragmatismus vereinen die Vier in idealer Form. Ebenso zeichnen sich die Comics der Fantastic Four dadurch aus, dass das Alltägliche und das Kleine zu etwas gemacht wird, das sich lohnt, in eigens gemalten Bildern zu zeigen. Gleichsam tauchen sie aber auch in die absurdesten, buntesten und gefährlichsten Welten ein, oft im Namen der Menschheit, häufiger sogar, um ihre Galaxie zu retten. Im Geiste der Erfinder der Fantastic Four, Stan Lee und Jack Kirby, sollte dieser Comic die Tradition in eine neue Zeit erheben.

Schon in den 90er Jahren äußerte Ross den Wunsch nach einer Fortsetzung des Klassikers „This Man…This Monster!“, in dem sich der Plot viel um Ben J. Grimm alias Das Ding dreht.
So geschah es also knapp 30 Jahre später, dass Alex Ross die Erlaubnis für eine eigene und gänzlich autarke Version seiner Fantastischen Vier erarbeiten durfte.

Diese Geschichte wurde unter dem Marvel Arts Label – im Auftrag für den Ende 2024 geplanten Fantastic Four Film – unter dem MCU Banner beauftragt und sollte die fantastische Familie von ihrem Look und Gefühl in die Moderne holen.

Ist dies denn nun gelungen?

Ich wollte doch nur mein Sandwich essen!

Es beginnt sehr alltäglich. Ben J. Grimm ist in der Küche, um sich ein Sandwich zuzubereiten, da wird er plötzlich angegriffen. Jemand hat es geschafft, sich ins Baxter Building, den Turm der Familie Richards, zu schleichen, ohne den Alarm auszulösen. Es ist nicht irgendjemand, denn es steht ein apathischer Erzfeind des Ben Grimm vor ihnen. Doch ist es nicht, wie es scheint. Hunderte Wesen strömen aus ihm heraus, ja, er scheint sogar aus den Wesen zu bestehen. Schnell stellt sich heraus, dass die leblose Hülle seines Erzfeinds aus der Negativzone stammen muss. Der Ort, an dem Annihilus lebt, einer der ältesten Erzfeinde der Fantastischen Vier. Jedoch wird dieser nur nebenbei erwähnt und tritt sehr kurz nur auf. Der vermeintliche Drahtzieher hinter dem Angriff ist Janus alias Nega-Man, zwiespältiger Bewohner der Negativzone.

Sie entkommen den mit Kampfeskraft zu bewältigen Bedrohungen und steuern nun auf eine ganz andere hinzu. Es ist die Erde, eine Negativ-Anti-Materie-Erde mit nicht einschätzbaren Bedrohungen und Gefahren. Sie werden begrüßt von einer illustren Gruppe sehr fähiger Wesen, doch geraten nicht in einen Kampf. Es erkennt sie jemand, eben dieser jemand, dessen leblose Hülle sie kurz vorher als Einladung des Janus erhalten haben. Es ist der einst die Fähigkeiten und Identität des Dings klauen wollende Ricardo Jones, der dort auf der Negativ-Erde ein neues Leben begann.

Reed Richards hilft diesem dort angekommenen, doch wegen seiner Biologie nicht ohne technische Hilfsmittel lebensfähigem Mann. Nur ein kleiner Fetzen der eigens für diese Reise entwickelten neuen Uniform genügt, da sie replizierend ist, um Ricardo Jones zu helfen. Anstelle eines Endkampfs erleben wir (auch zur Überraschung Ben J. Grimms) keine Explosionen und fliegenden Fäuste, sondern Diplomatie und Freundschaft der unterschiedlichen Völker.

Die Bilder

Es ist ein Alex Ross. Mehr muss man zumeist nicht sagen.

Auf diesen 68 Seiten findet sich eine wahnsinnige Vielfalt an Panelaufteilungen, Perspektiven, Farben und Stilen. Es ist schwer zu greifen, was es genau ist, dass es so ganz selbstverständlich als modernes Werk verstanden werden kann, obwohl sich ein großer Teil der Bildsprache ganz offen und unmissverständlich einem Retro-Stil bedient.

Die Schattierungen sind entweder gänzlich mit Schwarz umgesetzt, oder manches Mal mit Komplementärfarben wie Pastellblau zu einer gelb dominierten Szenerie oder einem Pink im Gesicht Dr. Reed Richards. In einigen Bildern entdeckt man außerdem Rasterfolienpunkte, die der gesamten Seite einen subtil gespielten Look verleihen.

Ein weiterer sehr herausstechender Punkt ist die Verwendung von Farben. Zumeist finden sich drei dominante Farben in den Bildern. Diese können wechselhaft präsent sein, doch bleibt es häufig bei Blau, Gelb und Pink/Rosa.
Diese Farben klingen so stark nach Old-School-Comic, nicht nur wegen der RGB-Druck-Anspielungen, auch in ihrer visuellen Funktion machen sie genau das: Sie wirken alt und doch quietschig und frech.
Klar, verwendet Ross mehr als diese Farben, zumal die Negativzone und viele weitere, teils fotorealistische Darstellungen einiges mehr verlangen.

Allein des künstlerischen Werts wegen lohnt sich diese Ausgabe. Man sollte jedoch dem Retro-Look affin sein, um sich daran vollends zu erfreuen.

Fazit
In „Fantastic Four – Tödlicher Kreislauf“ zieht der Ausnahmekünstler Alex Ross einen in eine fantastische und visuell fordernde Superheldenwelt hinein. Die Designs und die Fertigkeit Farbe, Licht und Schatten so zu kombinieren, dass Moderne und Golden-Age-Comic gleichermaßen in einem Panel wirken, ist großartig. In seiner erzählten Geschichte finden sich außerdem interessante Aspekte, die sich eher selten in Superhelden-Comics finden lassen: der Versuch, diplomatische Lösungen zu finden, Gemeinsamkeiten zu entdecken und Schwächen zu erkennen, ohne sich dieser zu bemächtigen und den Gegner auszuspielen, sondern diese als Teil des Ganzen zu sehen und großmütig aufeinander zuzugehen. Dieser Comic ist schlichtweg außergewöhnlich!
Pro
Außergewöhnliche künstlerische Meisterschaft von Alex Ross, fesselnde Mischung aus Retro-Ästhetik mit einem modernen Touch und einer einzigartigen Superhelden-Erzählung mit diplomatischen Vorsätzen.
Kontra
Der Retro-Kunststil spricht möglicherweise nicht alle an, begrenzte Erkundung bestimmter Handlungsstränge, kurze Präsenz der Antagonisten und das Vertrauen auf Nostalgie für Wertschätzung.
8.8

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

1 Comment

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Über Hünerfürst.de

Einer der bekanntesten deutschen Netzkultur Blogs seit 2009. Nils Hünerfürst und seine Familie schreiben hier auf Hünerfürst.de über Technik, Kultur, Essen und Videospiele.

Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

Sportwetten Tipps von Overlyzer
Vorheriger Beitrag

5 Spiele im Speed-Test – Monkey Island 2, TMNT: Shredders Revenge, Outer Wilds, Immortality und Moonlighter

Nächster Beitrag

Invincible – Ein Comic, eine Serie

Letzten Beiträge von Blog

Der Magische Fisch

Der Comic „Der magische Fisch“ richtet sich, wie das Programm des Imprints Crocu des Ludwigsburger Verlags Cross Cult, ganz explizit an ein
Batman Justice Buster 2

Batman Justice Buster 2

In „Batman Justice Buster 2“ führt der Autor Eiichi Shimizu mit dem Zeichner Tomohiro Shimoguchi fort was sie im ersten Band groß

Dark
Light