Oh wie schön war es als Kind durch die malerischen Bilderbücher zu blättern. Wenig Text, viele Weisheiten und moralisch lehrhafte Aussagen, fand man auf wenigen Seiten. Als Elternteil kann das 100. Lesen eines solchen Buchs schon ermüden. Was wäre denn, wenn man wunderschön gemalte Bilderbücher an erwachsene Menschen richten würde? Dann hat man Kontakt mit dem Werk Jimmy Liaos gemacht. Seine Karriere begann mit seiner Krebsdiagnose. Anstatt sich auf seinen letzten Weg zu begeben, begann er zu Malen und Geschichten zu schreiben. Anfangs noch als Abschied für seine Familie gedacht. Nun überstand er seine Erkrankung und zählt heute zu den 55 wichtigsten Künstlern Asiens. Er hat bereits zahlreiche Bilderbücher veröffentlicht. Vier davon kann man beim Schweizer Verlag Chinabooks in deutscher Übersetzung finden.
Die Geschichte, die mich am tiefsten berührt hat, soll an dieser Stelle kurz vorgestellt werden. Es geht um: „Das Kino des Lebens“.
Die Handlung
Die Geschichte wird aus der Perspektive der namenlosen Protagonistin erzählt. Sie wächst mit ihrem alleinerziehenden Vater auf. Eines ihrer liebsten Aktivitäten ist es gemeinsam das Kino zu besuchen. Immer dann, wenn es einem der Beiden nicht gut geht, wenn die Sehnsucht nach der verschwundenen Mutter zu schwer wiegt, gehen sie ins Lichtspielhaus. Ein Schal ihrer Mutter ist noch im Besitz der Hauptfigur, dessen Geruch sie in sich aufsaugt. Jedes mal bevor der Film startet nehmen sie und ihr Vater einen tiefen Atemzug, in der Hoffnung irgendwann das Parfüm der verschwundenen Mutter im Saal zu riechen. Ihre Eltern liebten das Kino beide sehr und so läge es nah sie dort zu treffen.
Die Jahre vergehen und wir begleiten die heranwachsende Frau bei ihrer ersten großen Liebe, ihrem ersten Herzschmerz und ihrer ersten Ehe. Sie verliebte sich in einen Filmschaffenden, mit dem sie vermeintlich alles teilen kann. Ihre Begeisterung für den Film, die gemeinsame Faszination, ließ eine tiefe Verbindung entstehen. Jedoch nicht tief genug und sie wird fortan selber alleinerziehende Mutter sein. Häufig geht sie nun mit ihrer Tochter ins Kino, immer noch nimmt sie einen tiefen Atemzug und immer noch sehnt sie sich nach ihrer Mutter. Ob sie sie treffen wird, bleibt vage. In Jimmy Liaos minimalistischem Text unter den Bildern schwingt häufig viel Emotionalität mit, die so manches Mal die Augen glasig werden lässt.
Die Bilder
Schon das Cover dieser Hardcoverausgabe gibt einem einen treffenden Eindruck über den Stil Jimmy Liaos. Er malt seine Bilder mit mixed Media, also Acryl, Aquarell und scheinbar einigen feinen Akzenten mit Öl-Farbe. Dies erschafft einen lebendigen Eindruck und die Kombination aus Farbe und Form weckt sofort Erinnerungen an die Illustrationen einiger Kinderbücher. Eben diese Verbindung aus spielerischen Farben, stimmungsvoller Inszenierung des Alltäglichen und einer gelegentlichen abstrakten Fantasiedarstellung erzeugt eine traumhafte Stimmung.
Mittels vieler Referenzen über Filmplakate und Anspielungen durch die Reproduktion von ikonischen Szenen ermöglicht Liao dem Cineasten eine Schnitzeljagd durch die Filmlandschaft. So verleiht er vielen seiner Bilder subtil eine zeitliche Einordnung des Geschehens. Ein gesellschaftlicher Zeitgeist, auch assoziierte Emotionen zu den Filmen bildet Liao über die Einarbeitung der Plakate. Es braucht nicht viel, um sich in seine Malereien hinein zu träumen.