Deadpool & Wolverine – Die Rettung des MCU?

27. Juli 2024
4 Minuten Lesezeit
Deadpool & Wolverine Cover

Lange ersehnt und mehrfach verschoben, erschien nun endlich „Deadpool & Wolverine“. Es scheint wie die Rettung des MCU und an den Kinokassen läuft der Film von Disney erstaunlich gut. Es ist der erste in den USA jemals als R-Rated (FSK 18) eingestufte Film, den Disney herausgebracht hat. Umso erstaunlicher, dass der Film in Deutschland eine FSK 16 erhielt, was meine Erwartungen und Hoffnungen auf ein Deadpool-Festival erheblich minderte.

Doch man wird nicht enttäuscht vom 128 Minuten langen Streifen. Die Regie dieser Gewaltfantasie eines von ADHS betroffenen Klassenclowns führte Shawn Levy, der mit seiner Arbeit an „Free Guy“ zum ersten Mal mit Ryan Reynolds zusammenarbeitete. Der Cast umspannt eine schier übermannende Anzahl an Cameos und reißt mit kräftigem Schwung alte Superheldenfilme mit in den Strudel des Marvel Cinematic Universe. 

Die Handlung?!

Deadpool & Wolverine Freunde
Copyright: Disney

Seit Marvel mit der Idee eines Multiversums kläglich gescheitert ist, taktieren die Köpfe nun wie es möglich wäre dieses Debakel an den Kinokassen vorzeitig zu beenden. Eine Methode dafür wären Zeitreisen oder die Verschmelzung von Welten, wie es in den Comics des „Secret War“ von Statten ging. Dafür erdachten sich die MCU-Schreiber die TVA, eine Zeit-Raum-Institution, die einem sinnvoll in der MCU-Serie „Loki“ eingeführt wurde. Wirklich nötig zu wissen, was diese Organisation treibt, ist es glücklicherweise nicht. Man sollte jedoch wissen, dass Wolverine alias Logan in seinem (damals Ende für Hugh Jackman in dieser Rolle) selbstbetitelten Film starb. 

Dieses Event nimmt sich der Film „Deadpool & Wolverine“ zum Anlass, um die Handlung zu beginnen. Wolverine sei eine Anker-Persönlichkeit, was durch das Versterben dazu führen soll, dass die gesamte Realität langsam auslösche. „Absolut keine Option!“ denkt sich Wade Wilson alias Deadpool, da er mit Hilfe des Zeitreise-Gadgets von Cable (Deadpool 2) sein eigenes Leben wieder gerade rückte. Seine große Liebe wurde nicht erschossen und er hat wahrhaftig Freunde, die mit ihm gemeinsam Geburtstag feiern. Doch dann taucht die TVA auf und entführt ihn, um die ihm die Mission zur Rettung der Realität zu erläutern. 

So weit so gut. Es wird von da an nur noch einige Male mit der Multiversums-Idee gespielt, jedoch nie so verkrampft und unnötig schwerwiegend und theatralisch wie in manch anderen MCU-Werken. Man setzt ein gewisses Vertrauen in die Welt, die durch die überspitzten Charakterzüge des Protagonisten und der eh schon absurden Vorraussetzungen dieser Handlung gar nicht groß ins Gewicht fallen. 

Deadpool & Wolverine Das Nichts
Copyright: Disney

Kann Deadpool das MCU retten?

Ob nun Deadpool, seine vielen neuen Bekanntschaften (darunter einige alte und sehr bekannte Gesichter) und die TVA die Realität retten können, soll an dieser Stelle nicht erläutert werden. Schaut euch den Film an! Was aber gesagt werden muss und kann, ist, dass das MCU an seiner eigenen Größe zu Grunde geht. Sei es aus kapitalistischer Betrachtung oder einer inhaltlichen, also den immer neuen Welten ihrer Filme, die keinen mehr interessieren. Die Zugpferde sind so gut wie aus dem Rennen, einige noch laufende Verträge der Schaupielerinnen führt nun zu halbherzigen Cameos und mies inszenierten Nebenrollen der alten Heldenriege. Was bleibt also? Neue Figuren, die keiner mag, hunderte Welten, die alle keinen Spaß machen und Handlungen die so maximal oberflächlich und nichtssagend sind, dass selbst eingefleischte Fan-Ultras ihre Zweifel haben.  

Und dann kommt Ryan Reynolds in seiner wohl für ewig verschmolzenen Figur Deadpool daher und steckt salzige Finger in bereits vom Misserfolg gereizte Ärsche (die Sprache Deadpool’s färbt ab, wie man merkt). Man muss sagen, dass dieser Film erstaunlich gut und klar genau das anspricht, was Fans und Zuschauer des MCU zu kritisieren haben. Man spart nicht mit Kritik, mal mehr, mal weniger direkt durch die Brechung der vierten Wand, aber immer schön bissig und nach oben tretend. Es wird beispielsweise sehr direkt auf den 20th Century Fox Verkauf eingegangen oder die Tatsache, dass dieser Film gewisse Dinge nicht sagen oder zeigen darf, um der Veröffentlichungspolitik von Disney gerecht zu werden. 

Man traute sich die Kontroverse zu leben, die Verwerfungen des Multiversums zu kommentieren und vor allem schamlos brutal zu sein. Auch die Sprache ist anders als bisher von Disney gewohnt, was wohl der eigentliche Grund war, warum dieser Film in den USA R-Rated ist. Das Wort F**K.

Deadpool & Wolverine
Copyright: Disney

Visuelle Umsetzung 

Innerhalb weniger Minuten des Intros wird allen klar, dass dieser Film in der Machart der vorigen Deadpool-Filme umgesetzt wurde. Die Kampfszenen zeigen sich in äußerster Brutalität und scheuen sich nicht davor für Disney undenkbares zu zeigen. Abgetrennte und explodierende Köpfe, zerlöcherte Torsos, die Exhumierung des toten Logans und das Abziehen der Haut sind nur einige Schlaglichter der Gewaltdarstellung dieses Films. Allerdings bleibt eine gewisse Abstraktion möglich, da ein Großteil der Gewalt durch ganz offensichtliches CGI unterstützt scheint. Es mag sogar der Verdacht nahe liegen, dass das viele CGI Blut und so mancher obszöne oder übertrieben gewaltvolle Kampf gerade deswegen so umgesetzt wurde. So könnte man sich selbst von zu großem Realismus distanzieren und es lässt sich selber leichter vor dem Firmen-Kodex rechtfertigen.  

Die Kämpfe und anderen Actionszenen an sich sind jedoch gut choreografiert und von den Schauspielern überzeugend umgesetzt. Hugh Jackman und Ryan Reynolds wirken fantastisch auf der Leinwand. Ihre Chemie und gespielte Anti-Partie kommt der der Comics super nah und es erfreut immens, dass sie sich die Mühe gemacht haben deren Beziehung über die Zeit des Films zu entwickeln. 

Natürlich ist auch in diesem Film wieder einiges an Easter-Eggs und witzigen Details zu finden. So zum Beispiel der Schuhladen, der „Liefeld – Just Feet“ (oder so ähnlich) prominent im Hintergrund zu sehen ist. Diese Anspielung geht auf die Anfänge Deadpools zurück, als Rob Liefeld als Zeichner und Schreiber Deadpool zum ersten Mal Aufmerksamkeit in der Welt der Comics verschaffte. Er konnte noch nie gut Füße zeichnen, ist sich die Comic-Gemeinde und Liefeld einig. 

Deadpool & Wolverine Cover
Eine Überraschungstüte
„Deadpool & Wolverine“ ist überraschend unterhaltsam und spielt alle Saiten eines Deadpool-Fans an, bringt sie zum Schwingen und schrammelt dann drauf herum. Dieser Film bildet einen unerwarteten Abschluss unter neuer Leitung des größten Medienkonzerns und hat es irgendwie ermöglicht doch noch wie ein kleiner frecher Independent Film wirken, der den Konzernen ans Bein pinkeln darf. Es ist ein gut balancierter Film, der zwischen quirligem Humor am Rande des guten Geschmacks, krassester Gewalt und einer immensen Cameo-Dichte einen Spagat macht und sich dabei nicht aufs eigene Gemächt setzt. Ein kleiner Lichtblick für die MCU-Fans der ersten Stunde und ein Hoffnung darauf, dass Disney auch in Zukunft Superhelden-Formate für erwachsene Kinder produzieren kann und sie sich trotzdem verkaufen. Man wird sehen, wie das erste Wochenende für den Film läuft und welche lehren Disney hieraus ziehen wird. 
Pro
Deadpool-action
Ultra viele Cameos und Anspielungen
Fantastischer Deadpool-Humor
Kontra
Konstruierter, schon sehr dämlicher Plot

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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