Eine Rucksackreise durch Japan – Achtundzwanzigster Teil – Eine zufällige Bekanntschaft

11. August 2024
6 Minuten Lesezeit
  1. Eine Rucksackreise durch Japan – Erster Teil – Die Ausfahrt „Nichtraucher“
  2. Eine Rucksackreise durch Japan – Zweiter Teil – die ersten Schritte
  3. Eine Rucksackreise durch Japan – Dritter Teil – auf die inneren Werte kommt es an
  4. Eine Rucksackreise durch Japan – Vierter Teil – Sprachbarrieren
  5. Eine Rucksackreise durch Japan – Fünfter Teil – Zu Gast bei Familie Takahashi
  6. Eine Rucksackreise durch Japan – Sechster Teil – Heiß, Heißer, Onsen
  7. Eine Rucksackreise durch Japan – Siebter Teil – It’s a Long Way From Home
  8. Eine Rucksackreise durch Japan – Achter Teil – Kontraste
  9. Eine Rucksackreise durch Japan – Neunter Teil – Allein unter Tausenden
  10. Eine Rucksackreise durch Japan – Zehnter Teil – Yukatas, Trommeln und eine Erkenntnis
  11. Eine Rucksackreise durch Japan – Elfter Teil – Ein langes Gespräch und wenig Bewegung
  12. Eine Rucksackreise durch Japan – Zwölfter Teil – Mitten im Nirgendwo
  13. Eine Rucksackreise durch Japan – Dreizehnter Teil – Die Magie der Zeit
  14. Eine Rucksackreise durch Japan – Vierzehnter Teil – Klima, Verkehr und ein Paar auf Hochzeitsreise
  15. Eine Rucksackreise durch Japan – Fünfzehnter Teil – Die Stadt des Tons
  16. Eine Rucksackreise durch Japan – Sechzehnter Teil – Eine Zeitreise
  17. Eine Rucksackreise durch Japan – Siebzehnter Teil – Kyoto, die Stadt der Reizüberflutung
  18. Eine Rucksackreise durch Japan – Achtzehnter Teil – Ein Tag in der Mall und eine Massage
  19. Eine Rucksackreise durch Japan – Neunzehnter Teil – Die Suche nach Tee und das Nachtleben
  20. Eine Rucksackreise durch Japan – Zwanzigster Teil – Körperlich ausgelaugt
  21. Eine Rucksackreise durch Japan – Einundzwanzigster Teil – Ein Tag im Nebel
  22. Eine Rucksackreise durch Japan – Zweiundzwanzigster Teil – Mit Höchstgeschwindigkeit zur Regeneration
  23. Eine Rucksackreise durch Japan – Dreiundzwanzigster Teil – Der Schrittzähler bleibt stehen
  24. Eine Rucksackreise durch Japan – Vierundzwanzigster Teil – So viel Zeit und doch nichts passiert
  25. Eine Rucksackreise durch Japan – Fünfundzwanzigster Teil – Besserung und neue Pläne
  26. Eine Rucksackreise durch Japan – Sechsundzwangzigster Teil – Hören-Sagen
  27. Eine Rucksackreise durch Japan – Siebenundzwanzigster Teil – Narita
  28. Eine Rucksackreise durch Japan – Achtundzwanzigster Teil – Eine zufällige Bekanntschaft
  29. Eine Rucksackreise durch Japan – Neunundzwanzigster Teil – Die letzten Einkäufe
  30. Eine Rucksackreise durch Japan – Dreißigster Teil – Die Rückreise & Abrechnung
Rucksackreise-Japan28

Mein Morgen startete spät. Irgendwann gegen halb zwölf blinzelte ich durch die Gardinen meines Zimmers und sah strahlend blauen Himmel. Ein idealer Tag, um nun wirklich noch einige Einkäufe zu erledigen. Heute würde ich mir endlich die Nemakis, als Mitbringsel für die Freunde, besorgt haben.
Ohne Frühstück, nur mit einem kalten Kaffee aus einer Aluminium-Flasche vom Konbini um die Ecke aufgeladen, machte ich mich erst einmal daran die Wäsche zu waschen. Ich teilte mir meine Kleidung soweit ein, dass ich alles bereit legte, was ich am Abreisetag noch brauchen würde und den übrigen ganzen Rest, der dann bereits einmal gewaschen und vorbereitet für das Einräumen ins heimische Regal in den Untiefen des Rucksacks verstaut werden sollte. Das Waschen nahm einige Minuten in Anspruch, also saß und stand ich irgendwann wieder in der geklinkerten Ecke und rauchte. Eine sehr ungesunde „Angewohnheit“ um Zeit in Rauch aufgehen zu lassen.

Doch nun sprach ich die stille Bekanntschaft vom Vorabend geradeaus an. Das Pärchen kam aus Rumänien und war scheinbar äußerst reisebegeistert. Wir tauschten uns aus über die Gepflogenheiten des Landes und sangen das selbe Lied über die ständig feucht-warme Luft in Japan, die einem die Existenz manchen Tags sehr schwer machte. Sie boten mir Zigaretten an, die ich je nach Laune annahm oder ablehnte, tauschten Eindrücke der letzten Wochen und mir wurde Rumänien als Reiseziel sehr ans Herz gelegt. Ich musste daraufhin erstmal im Internet nachsehen, welche Länder diese flächenmäßig sehr große Perle Osteuropas einrahmten. Ich war überrascht über die riesige Landmasse, die Diverstität der geografischen Gegebenheiten (Ob Meer, Berge oder Wälder alles fand man dort) und war mir sicher, dass ich dort in den nächsten Jahren auf jeden Fall hinreisen wollte. Nach einer angeregten Stunde des interessanten Gesprächs verschwand ich wieder ins Hotel, um meine Wäsche zu überprüfen und diese gegebenenfalls in meinem Zimmer an allen möglichen Gegenständen aufzuhängen. Genau das stand mir nun bevor.

Ich schleppte meine Wäsche in einem vom Trockner restfeuchten Klumpen aus Shirts , Socken und Unterwäsche durchs Hotel, fummelte mit einer Hand, ohne dabei den ganzen Haufen feucht, warmer Wäsche fallen zu lassen, die Schlüsselkarte aus der Hosentasche und verschaffte mir Zutritt zum Zimmer. Ich warf den Haufen aufs Bett und suchte nun nach strategisch guten Orten für die Trocknung der verschiedenen Kleidungsstücke. Aus Mangel an Platz musste alles befindliche herhalten. Ich verteilte meine Wäsche auf dem Rand des Fernsehers, an den Halterungen der an der Wand angebrachten Lampe, dem Fensterrahmen oder der Gardinenstange. Da sich die Klimaanlage nur in Betrieb nehmen ließ, während ich die Zimmerkarte in dem dafür vorgesehenen kleine Fach ablegte, was mir auch den Zugang zu Strom ermöglichte, war ich mir sicher, dass die Klamotten nicht bis zum Ende des Tages trockenen würden.

Doch erst einmal wollte ich meiner neuen Tagesroutine nachgehen, die Wanderung zur Mall. Dieses Mal jedoch ich versuchte nicht den identischen Weg des Vortags zur Mall zu laufen. Ich besorgte mir einen weiteren dieser Cold-Brew Kaffees aus der Aluminium-Flasche. Sie schmeckten auf ihre Weise sehr gut, waren ordentlich stark und die Flaschen eigneten sich ganz ausgezeichnet als mobile Aschenbecher. Eine dieser Flaschen hatte ich also seit Beginn der Reise immer bei mir im mobilen Büro, da ich, wenn ich schon irgendwo das Gesetz brechen wollte, wenigstens keine Spuren hinterlassen müsste. Eh verstand ich nicht mit welcher selbstverständlichen Ignoranz Raucher ihren Müll überall einfach hinwarfen, auch schon bevor ich Japan bereiste.

Mein Weg führte mich durch eine andere Nachbarschaft und doch landete ich wieder am Tempelgelände. Es schien einer der größeren Knotenpunkte zu sein, an dem man einfach nicht vorbeikam auf dieser, meiner Route. Also ab über das Gelände und zügig ins Einkaufszentrum und endlich die letzten Mitbringsel einkaufen. Nach ein paar Minuten des Suchens nach Nemakis wurde ich dann endlich fündig und schnappte mir die letzten verfügbaren Exemplare in den passenden Größen. Jeder meiner engsten Freunde erhielt nun so einen Schlaf-Bade-Kimono, in welchen ich in den Ryokans die letzten Stunden des Tages verbrachte und mich so wohl fühlte, dass ich dieses Gefühl mit diesem Kleidungsstück transportieren wollte. Ich hoffte und haderte, ob sie dann schlussendlich auch so gut ankommen würden, wie ich es mir ausmalte. Auch wenn ich nicht gern aufs Geld sehe, waren diese Souvenire doch so ziemlich die teuersten Mitbringsel, die ich jemals gekauft hatte. Jeder dieser aus Baumwolle gearbeiteten Abendroben lag zwischen 30 und 50€. Ein wenig zweifelnd, dennoch auf eine Art gewiss, dass eine solche Reise und diese Art der Geschenke wohl in baldiger Zeit nicht vorkommen sollten, trug ich die Nemakis und noch ein paar der größten Flaschen des kalten Tees aus dem Supermarkt zum nächstgelegenen Bus. Mir hätte die Bewegung sicherlich nicht geschadet, dennoch drückte die Hitze an diesem Tag so unbarmherzig vom Himmel herab, dass ich sehr froh war über jeden gefahrenen Meter im klimatisierten Bus.

Am Bahnhof in Narita angekommen, genehmigte ich mir einen Besuch im Restaurant zur goldenen Möwe und stellte erneut fest, dass die dortigen Burger doch um einiges fettiger waren, als ich es gewohnt war. Pappensatt mit Pappe satt, kugelte ich über den Platz und ergatterte noch ein paar Konbini-Snacks für die späteren Stunden, um mir „unnötige“ Wege, also 50 Meter vom Ausgang des Hotels, zu ersparen und mich der Völlerei auf dem Zimmer hingeben zu können.

Als ich irgendwann am Hotel eintraf, saß dort ein Gast in der Ecke der gekachelten Raucherecke, den ich bereits am Vortag wahrnahm. Jener Gast war auch schwer zu übersehen, von Hals bis Knöchel komplett mit Tätowierungen zugehackt, saß er dort in lasziver Manier und qualmte mit einem Liquid-Verdampfer nebelmaschinengleiche Rauchschwaden in die Ecke. Beim gelegentlichen Öffnen der stöhnend, seufzenden Elektroschiebetüren zog dieser Rauch in die Lobby. Den Blicken der Mitarbeitenden zu schlussfolgern, waren diese nicht besonders darüber erfreut.

Wie es in so mancher Raucherpause oder stehend vor Bars und Kneipen war, kamen wir schließlich ins Gespräch. Wir würden unser Gespräch für einige Stunden nicht pausieren. Es entwickelte sich ein reger Austausch über seine und meine Reise, die eigenen Kulturen und vor allem Mangas und Animes, die man unbedingt gesehen haben sollte. Er war Amerikaner durch und durch, doch dazu gleich mehr.

Vorerst stellte ich mein Gekauftes im Zimmer ab, sammelte ein paar der bereits vorbereiteten Getränke zusammen, kredenzte ein paar der Snacks und kehrte für die nächsten Stunden wieder zurück in die „Raucherlounge“.

So saßen wir noch bis in die frühen Morgenstunden dort, redeten, schwiegen, hörten Musik oder genossen einfach das immer kühler werdende Wetter. Er hatte nur noch knapp anderthalb Tage Japan vor sich und bereitete sich, wie auch ich, schon darauf vor den Heimweg anzutreten. Gemeinsam verschoben wir also unsere Zeitzonen auf die jeweiligen Ankunftszeiten. Nach etwas mehr als einem Jahr Abwesenheit freute er sich schon sehr endlich wieder seine Familie, seinen Truck und seine Handfeuerwaffe bei sich zu wissen. Kein Spaß! Er erzählte mir mit einer fast schon überraschten und nach Sorge klingenden Stimme, dass er zum ersten Mal in seinem Erwachsenenleben keine Waffe an und bei sich trug. Welch Realität, dachte ich in diesem Moment. Wie er mir glaubhaft vermittelte, führe er in seiner Heimat immer eine kleine Handfeuerwaffe mit sich, die natürlich so wie man es aus Filmen kannte, im hinteren Teil des Hosenbundes verborgen steckte. Er monierte, dass er nicht einmal ein Messer bei sich trug, also wirklich gar keine Waffen. Vielleicht sollte dazu angefügt werden, dass dieser Mann sicher auch mit jedem anderen Gegenstand sehr gefährlich hätte werden können, da er freischaffender Nahkampf-Ausbilder bei der US-Army war. Ein echt abgeklärter, aufgeweckter und notfalls gefährlicher Typ. Auch wenn ich im Normalfall mit Militärs, der militaristischen Denkweise, der unkritischen Hörigkeit gegenüber Vorgesetzten und Gewalt gar nichts anfangen konnte, geschweige denn Kontakt zu Menschen dieser Profession hätte, kam dieser Haudegen genau richtig, um sich gegenseitig Gesellschaft und ein Ohr zu geben.

So saßen wir dort stundenlang und qualmten den Eingangsbereich zu, teilten ein paar kleine Snacks und schwadronierten über die Welt der Animes und Mangas. Er empfahl mir einige spannende Titel, die ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland teilweise begann zu lesen und sofort gefesselt gewesen bin. Nach einigen Stunden des Austauschs verabredet wir uns für den nächsten Tag. Ich wollte ihm die Tempelanlage zeigen und die Mall, denn viel mehr hätte ich auch nicht zu zeigen gewusst. Er freute sich über das Angebot und wir verabschiedeten uns.

Auf dem Zimmer flimmerte noch ein paar Minuten der Fernseher an der Wand, während ich versuchte meine teilweise getrocknete Kleidung so zu drapieren, dass schließlich auch die restlichen feuchten Flecken abtrockneten. Umringt von Unterwäsche und T-Shirts döste ich langsam davon, zog die Gardinen zu und schlief im Morgengrauen ein.

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Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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