Eine Rucksackreise durch Japan – Dreißigster Teil – Die Rückreise & Abrechnung

13. August 2024
11 Minuten Lesezeit
  1. Eine Rucksackreise durch Japan – Erster Teil – Die Ausfahrt „Nichtraucher“
  2. Eine Rucksackreise durch Japan – Zweiter Teil – die ersten Schritte
  3. Eine Rucksackreise durch Japan – Dritter Teil – auf die inneren Werte kommt es an
  4. Eine Rucksackreise durch Japan – Vierter Teil – Sprachbarrieren
  5. Eine Rucksackreise durch Japan – Fünfter Teil – Zu Gast bei Familie Takahashi
  6. Eine Rucksackreise durch Japan – Sechster Teil – Heiß, Heißer, Onsen
  7. Eine Rucksackreise durch Japan – Siebter Teil – It’s a Long Way From Home
  8. Eine Rucksackreise durch Japan – Achter Teil – Kontraste
  9. Eine Rucksackreise durch Japan – Neunter Teil – Allein unter Tausenden
  10. Eine Rucksackreise durch Japan – Zehnter Teil – Yukatas, Trommeln und eine Erkenntnis
  11. Eine Rucksackreise durch Japan – Elfter Teil – Ein langes Gespräch und wenig Bewegung
  12. Eine Rucksackreise durch Japan – Zwölfter Teil – Mitten im Nirgendwo
  13. Eine Rucksackreise durch Japan – Dreizehnter Teil – Die Magie der Zeit
  14. Eine Rucksackreise durch Japan – Vierzehnter Teil – Klima, Verkehr und ein Paar auf Hochzeitsreise
  15. Eine Rucksackreise durch Japan – Fünfzehnter Teil – Die Stadt des Tons
  16. Eine Rucksackreise durch Japan – Sechzehnter Teil – Eine Zeitreise
  17. Eine Rucksackreise durch Japan – Siebzehnter Teil – Kyoto, die Stadt der Reizüberflutung
  18. Eine Rucksackreise durch Japan – Achtzehnter Teil – Ein Tag in der Mall und eine Massage
  19. Eine Rucksackreise durch Japan – Neunzehnter Teil – Die Suche nach Tee und das Nachtleben
  20. Eine Rucksackreise durch Japan – Zwanzigster Teil – Körperlich ausgelaugt
  21. Eine Rucksackreise durch Japan – Einundzwanzigster Teil – Ein Tag im Nebel
  22. Eine Rucksackreise durch Japan – Zweiundzwanzigster Teil – Mit Höchstgeschwindigkeit zur Regeneration
  23. Eine Rucksackreise durch Japan – Dreiundzwanzigster Teil – Der Schrittzähler bleibt stehen
  24. Eine Rucksackreise durch Japan – Vierundzwanzigster Teil – So viel Zeit und doch nichts passiert
  25. Eine Rucksackreise durch Japan – Fünfundzwanzigster Teil – Besserung und neue Pläne
  26. Eine Rucksackreise durch Japan – Sechsundzwangzigster Teil – Hören-Sagen
  27. Eine Rucksackreise durch Japan – Siebenundzwanzigster Teil – Narita
  28. Eine Rucksackreise durch Japan – Achtundzwanzigster Teil – Eine zufällige Bekanntschaft
  29. Eine Rucksackreise durch Japan – Neunundzwanzigster Teil – Die letzten Einkäufe
  30. Eine Rucksackreise durch Japan – Dreißigster Teil – Die Rückreise & Abrechnung
Rucksackreise-Japan30

Ich hatte nun nicht mal mehr 24 Stunden Zeit, um mich auf die Rückreise mental vorzubereiten. Meine massive Unlust auf das stundenlange Sitzen auf 10.000 Metern Höhe im durchgehend laut rauschenden Flugzeug, die vielen Wartezeiten zwischen den Flügen und das immer noch nicht vollends geklärte Problem der Anschlussflüge, machte diese Abneigung gegen den kommenden Tag nicht weniger unangenehm. Ja, ich hatte immer noch Probleme mit den Anschlüssen, denn natürlich verschob sich meine Flug aus Beijing nach München erneut. Aus ursprünglich 6 Stunden Wartezeit wurden nun 9 Stunden, die ich am wohl langweiligsten und ausgestorbensten Flughafen dieses gesamten Planeten hätte hinter mich bringen müssen. Der Anschluss war demnach auch noch recht Unsicher. Ich verließ mich darauf, dass eine bezahlte Dienstleistung auch einen erwartbaren Gegenwert inne hatte. Doch vorerst konnte ich noch die Ruhe und die Beinfreiheit in Narita genießen.

An diesem Tag würde ich nirgendwo hin laufen. Ich stand erst am Nachmittag um halb drei auf, schlurfte zum Konbini, kaufte Kaffee und Snacks für den Tag und setzte mich in die Raucherecke. War es mir dort zu langweilig oder unbequem geworden, denn der Steinboden auf dem ich saß, wirkte sich nicht sehr positiv auf meinen Rücken aus, schlenderte ich ein wenig umher, machte noch ein Nickerchen, schrieb ein wenig mit Freunden und kehrte kurz um wieder zurück aufs Zimmer. Dort räumte ich zum letzen Mal vor dem Abflug meinen Rucksack so ein, dass ich alles parat hatte, was ich für die Rückreise brauchte. Ich packte mein mobiles Büro, präparierte die Kameratasche so, dass der Security-Scan möglichst schnell ging, verstaute meine hunderte Euro teuren Teekeramiken in Mitten des ebenso teuren Tees aus allen Regionen und den überraschend kostspieligen Nemakis für meine Freunde. Alles war perfekt vorbereitet und ich konnte los. Eine gewisse Vorfreude herrschte nun doch in mir. War es auch nicht das Essen, die verschmutzte Stadt Berlin, der Lärm und der miserable Nahverkehr, so war es zumindest der Sommer in Berlin, der fast 15 Grad kühler war als in Japan, meine Familie, die Freunde und meinen ersten Tee in der eigenen Wohnung.

Ich verbrachte den Tag in gleichbleibender Manier und scheute mich nicht die letzten paar Yen auch noch auf den Kopf zu kloppen. Also kaufte ich mein restliches Geld beim Konbini leer und schlemmte all die leckersten Kleinigkeiten. Der Abend, die Nacht und der nächste Morgen rasten so schnell heran und ich war so gut auf die nächste Zeitzone eingestellt, dass ich den kostenlosen Bus-Shuttle zum Flughafen am folgenden Morgen mit schlaflosen Augen eines langen Tags antrat. Ich hatte in meinem Modus des Nicht-Schlafens nicht bedacht, dass ich die ursprünglich geplanten 6 Stunden, die ich vielleicht zum Schreiben nutzen wollte, nun völlig übermüdet und der Sitzbänke in Flughäfen wegen nicht befähigt war entspannt zu schlafen. Zumal nun fünfzig Prozent mehr Zeit zur Verfügung stand, die ich irgendwie totschlagen musste. Nichtsdestotrotz ging alles gemütlich seinen Lauf. Das Einchecken und die Kontrollen am Flughafen Narita waren idiotensicher und sehr zügig. Als ich meinen Rucksack aufgab kam mir zum ersten Mal der Verdacht, dass irgendwas mit dem Rückflug nicht stimmen konnte. Meine Flugtickets endeten in München, nicht Berlin wie gebucht. Ich dachte mir nicht viel dabei und da ich ja schließlich dafür bezahlt hatte, ging ich davon aus, dass ich diese Dienstleistung auch in Anspruch nehmen könne werde. Dies würde sich aus Fehlschluss erweisen.

Ich meisterte also den ersten Flug von Narita nach Beijing. Am frühen Abend dort angekommen, hatten diese Mal sogar einige Läden offen. Also kaufte ich mir eine Instant-Nudelsuppe, da ich die erbärmlich, langweiligen Stunden sonst ohne Nahrung meistern hätte müssen. Außerdem fand ich ein kleines Geschäft, in dem ich einen Pu-Erh Teekuchen fand. Dies war kein Kuchen im klassischen Sinne, sondern eine kreisrunde Platte aus gepresstem Tee aus der Region Pu-Erh im Südwesten Chinas. Dieser Tee ist eine wirkliche Besonderheit auf seine Weise und ist mittlerweile bei den „Young Rich Chinese“ ein extrem beliebtes Spekulationsobjekt. Ich kaufte den größten, zweit teuersten Teekuchen. „Was soll’s“ dachte ich mir, ich war ja schließlich noch im Urlaub. Zumindest noch nicht zu Hause.

Als dann allmählich die Geschäfte schlossen, ärgerte ich mich darüber nicht doch den Flughafen verlassen zu haben. Technisch gesehen hätte ich innerhalb dieser neun Stunden noch einen Abstecher in die Stadt unternehmen können. Dies war mir dann aber irgendwie alles doch zu unsicher, aus mehreren Aspekten, wie der fehlenden Sprachkenntnis, dem Risiko den Flug vollends zu verpassen oder anderen China-spezifischen Eventualitäten. Also lief ich insgesamt zweimal den mir zugänglichen Teil des Flughafens ab, insgesamt fast 15 Kilometer, schlief in Stücken ungefähr anderthalb Stunden, hörte mehrere Podcasts, schrieb einige übrige und auf dem Weg begonnen Rezensionen zu Comics und durchstöberte mit einem VPN ausgerüstet das mir verfügbare Internet.

Mir war so unglaublich langweilig. Man sagt ja, dass die Langeweile etwas gutes an sich hatte. Der Geist und Seele könnten frei umherwandern, sich treiben lassen, Gedanken würden aufkommen und man könne sich mit der eigenen Gefühlswelt auseinandersetzen. Das ist alles Richtig und ich unterstütze die Langeweile vollends, doch bitte nicht an einem so abstoßenden Ort, der mich zwang stundenlang durch milchige Fenster auf Betonflächen zu sehen und unangenehme Klimaanlagen-Luft zu atmen. Doch es gab kein drumherum. Irgendwann hatten wir, die Reisegemeinschaft auf dem Weg nach Deutschland, es schließlich geschafft. Der Flug war bereit, wenn auch erneut etwas später als einst angekündigt, und wir konnten abheben.

Ich sackte in den Sitz, machte es mir „bequem“ und schlief so schnell ein, dass ich nur am Rande mitbekam wie wir abhoben. Erst als die erste Mahlzeit kredenzt wurde, war ich wieder voll dabei. Ich ließ mir erst ein Abendessen geben, dazu einen Kaffee und eine Cola. Als sich die Flugbegleiterinnen dann erneut durch die Flure schoben, fragte ich nach einem zweiten Abendessen und bekam dies ohne Widerrede. So würde ich es auch mit dem Frühstück handhaben wollen und tat dies auch, ebenso problemlos. Der Flug verging so schnell es eben möglich war, mehr oder weniger ruhend, ein paar Seiten eines meiner Reisebücher lesend und stundenlang Podcasts hören, die ebenso stundenlang waren.

Dann irgendwann, war es endlich so weit. Wir landeten in München. Nie hätte ich gedacht so viel Freude über meine Anwesenheit in München zu empfinden. Als ich dann auf meine Koffer wartete, was drei gefühlte Ewigkeiten in Anspruch nahm, versuchte ich jemanden zu finden, der eine Haarnadel oder eine Büroklammer oder irgend etwas Kleines an sich hatte, um die SIM-Karte meines Telefons zu wechseln. Nie dachte ich an diesen kleinen Piekser, um die winzigen Karten auszuwechseln. Nie. Also fragte ich mich durch die wartende Masse aus Menschen und fand schlussendlich jemanden mit einem genügend langen Ohrstecker, der mir helfen konnte.
Die ersten Nachrichten gingen raus an Freunde und Verwandte. Ich war fast zurück, tönte ich mit Vorfreude darüber, gleich den nächsten Flug zu besteigen und in knapp 2 Stunden wieder feinste Berliner Luft zu schnuppern. Da hatte ich aber noch nicht mit den Airlines gerechnet, wie ich gleich feststellen durfte. Ich sah meinen Rucksack das Band hoch rollen. Dieser Moment, wenn man seinen Koffer zum ersten Mal das Licht des Kofferbandes erblicken konnte, musste mindestens genau so erleichternd sein wie der Blick in den Rucksack, mit dem man an einem regnerischen Tag feststellte, dass man doch einen Regenschirm dabei hatte. Als ich den Rucksack aufgab, wies mich die Mitarbeiterin darauf hin, dass die lose in den Außentaschen steckenden Flip-Flops möglicherweise nicht die ganze Flugstrecke überleben würden, verließ ich mich auf das Glück. Das Glück und die Flip-Flops hatten mich verlassen, so wie auf der Hinreise auch die Steine, die noch an einer Seite der Schultergurte baumelten, als ich aus Berlin los flog.

Die Orientierung auf dem Flughafen fiel mir reichlich schwer, auch wenn die Anordnung doch recht simpel war. Eine fast 24 Stunden anhaltende Reise zerrt am Nervenkostüm und der Aufnahmefähigkeit. Ich wollte einfach nur eine Rauchen und suchte also den nächstbesten Kiosk, kaufte Tabak und Drehzeug und kam mit der ersten Zigarette in Deutschland an. Den Rucksack noch auf dem Rücken tragend, stand ich neben einem Mülleimer im Schatten. Natürlich lagen in der näheren Umgebung überall Kippen und Müll verschiedenster Größe herum. Willkommen zurück in Deutschland.

Nun stand leider immer noch das Problem des Anschlussflugs zwischen mir und Berlin. Meine SIM-Karte aktiviert, war meine erste Handlung ein Anruf beim Büro des Billig-Flug-Anbieters, über den ich diese Flüge kaufte. Dort verwies man mich nach einigen Minuten des Wartens an die Airlines direkt. Also rief ich dort an. Die Mitarbeiter der Airlines, sei es nun Lufthansa oder Air-China beriefen sich aber wiederum darauf, dass sie die Flüge nicht einsehen, geschweige irgendwas daran ändern könnten, da ich mich an die Plattform wenden müsste, wo ich die Flüge kaufte. Ich war also in der Hölle der Unzuständigkeit gefangen und niemand konnte oder wollte mir weiterhelfen. Hinzukam, dass wohl ganz offensichtlich ein Problem mit weiteren Flügen bestand, da der gesamte Flughafen gerammelt voll mit in Schlangen stehenden Menschen war. Es schien Einiges nicht so zu funktionieren, wie es sollte. Nachdem ich eine halbe Stunde rumtelefonierte, meine Zündschnur währenddessen immer kürzer wurde, nahm ich den offensichtlichen Ausweg. Ich verteufelte Billig-Airlines und Billig-Flug-Anbieter und kaufte mir ein Zugticket nach Berlin. Auf die Bahn wird man sich wohl noch verlassen können. Dass dies selten der Fall ist, war mir schon vorher klar, doch mangelte es an Optionen.

Ich hastete zum Bahnhof im Untergeschoss des Flughafens, kaufte mir ein Ticket für schlappe 200€, um die magere Strecke von knapp 600 Kilometern in einer wahnsinnigen Zeit von gut 6 Stunden hinter mich bringen zu dürfen. Oh wie schön war doch das Zugfahren in Japan. Ich dachte sofort zurück an die Fahrt quer durchs Land, welche 1000 Kilometer in knapp viereinhalb Stunden benötigte und wünschte mich zurück in einen Shinkansen. Natürlich hatte die S-Bahn zum Hauptbahnhof München Verspätung, was aber nicht weiter ins Gewicht fallen sollte, da auch der ICE, der in München seine Tour startete, ebenso verspätet losfuhr. Wie es möglich gewesen sei am Start bereits mit Verspätung loszufahren, fragte ich mich und dachte prompt daran, dass ein großer Teil der Bahnstrecken ja nur eingleisig war. Dieser großartige Einfall und das talentierte Management der letzten 30 Jahre sparte ja schließlich an allen wirklich ernsthaft relevanten Kostenpunkten, außer den Devisen und Boni der Vorsitzenden. Nun denn bestieg ich den Zug Richtung Norden. Dieser Zug war gerammelt voll, eng, die Luft war schrecklich warm, stickig und alles war laut.

Ich wollte nicht mehr. Keine weitere Minute meines Lebens wollte ich in diesem chaotischen Zug verbringen, doch blieb mir keine Wahl. Also versuchte ich mich mit Podcasts zumindest auditiv abzuschotten. Der von mir ergatterte Sitz wurde von Stunde zu Stunde unbequemer, so dass ich gelegentlich ins Zug-Restaurant aufmachte, um mir ein zuckerhaltiges und an Koffein reiches Kaltgetränk zu genehmigen. Ich hatte die Schnauze voll vom Sitzen, vom Warten und fühlte mich zunehmend unwohl in meiner eigenen Haut. Was würde ich jetzt für ein paar Tropfen lauwarmen Wassers geben, die mir den Schmutz und den Stress der Reise vom Körper wuschen.

Ich war nicht überrascht, wenn auch enttäuscht und fühlte mich meiner Lebenszeit beraubt, als ich realisierte, dass mit jedem weiteren Kilometer auf der Strecke München-Berlin, sich die geplante Ankunftszeit nach hinten verschob. Dieser Zug, das magere Streckennetz und sonstige Einflüsse führten also dazu, dass die bereits verspätete Bahn ganze 30 Minuten nach der eigentlichen Ankunftszeit im Hauptbahnhof Berlin einrollte. Wie diese sehr religiösen Fußballer vor dem Betreten des Platzes machte ich mich mit kleinen Gesten bereit endlich Berlin zu betreten. Zum Glück wurde ich abgeholt, um den Rest der Strecke nicht noch mit meinem ganzen Kram im Feierabendverkehr der BVG zu bewältigen. Die wenigen Minuten Autofahrt, währenddessen ich nur einige exemplarische Geschichten der Reise zum Besten gab, vergingen wie im Flug. Und dann war es geschafft. Mein Haustürschlüssel rasselte ins Türschloss, das gewohnte Aufschnappen der unter Spannung stehenden Tür, die man zum Öffnen ein wenig zu sich heranziehen musste, und das darauf folgende Aufschwingen ließ mich vollends ankommen.

Den Rucksack legte ich im Flur ab und setzte sofort Teewasser auf. Was hätte es nun schöneres gegeben als einen Tee zu trinken? Mir fiel Nichts ein. In der Regel endeten meine Reisen zumindest mental immer erst dann, wenn der Rucksack oder Koffer ausgepackt war, alles verstaut, eine Waschmaschine lief, ich geduscht und mit einem Tee an meinem Küchentisch gesessen hatte. Also folgte ich meinem inneren Bedürfnisse und wirbelte mit einer mir unerklärlichen Energie durch die Wohnung mit der Gewissheit nun bald angekommen zu sein. Beim Auspacken all der Mitbringsel, der Teekannen und Schalen, der Tüten mit mehreren Kilos Tee, der Essstäbchen, der gekauften Yukatas und der ergatterten Nemaki, die ich im Hotel geschenkt bekam, schossen mir die noch sehr frischen Eindrücke durch den Kopf und ein Lächeln huschte mir durchs Gesicht.

Unglaublich schön war es in Japan und ich war mir absolut sicher, dass ich so schnell ich konnte wieder zurück wollte. Zwar nicht im Sommer, aber auf jeden Fall noch einmal mit dem Zug kreuz und quer durchs Land, denn ich hatte das Gefühl überhaupt gar nichts gesehen zu haben. Wie sollte man auch ein Land, das ungefähr so groß war wie Deutschland in nur einem Monat komplett bereisen können?

Der Tee war fertig, die Taschen ausgepackt und ich nahm einen großen Schluck.

Die Abrechnung

Bevor ich mich auf diese Reise begab waberten Gerüchte durch meinen Kopf und ich hörte Berichte von übertrieben großem Kapital, das man brauchte für eine solche Reise. Ich kann diese Gerüchte nur zu Teilen bestätigen. Tatsache ist, dass ich für Hinflug und Rückflug zusätzlich der Zugverbindung München-Berlin rund 1.500 € gezahlte habe. Das „Rail-Pass“ Ticket in Japan und eine überteuerte All-You-Can SIM-Karte für das fantastisch ausgebaute Breitband-Mobilnetz kam weitere rund 440€. Also habe ich allein für Mobilität und Kommunikation knapp 2000€ gezahlt. Ein Stange Geld will man meinen, was in Anbetracht der massiven Nutzung der Züge und des Vorhandenseins der mobilen Daten auf den Tag gerechnet ein verschwindet kleiner Preis sind.

Also bleiben noch ungefähr 3.500€, die ich über den gesamten Zeitraumes, also rund einen Monat, ausgeben habe. Darin einbegriffen sind alle Hotels, jedes Mitbringsel (allein die Teekannen und Tee haben insgesamt fast 350€ verschlungen) für mich oder Freunde und Familie, jede der vielen Mahlzeiten, der gesamte Nahverkehr in Tokio, zusätzliche Taxi und Busfahrten und Museumsbesuche. Es belief sich auf ungefähr 130 bis 140 Euro am Tag, dabei alles inklusive.

Ich gebe dabei nur zu Bedenken, dass ich in den Hotels, waren sie nun traditionell oder modern, immer ein eigenes Zimmer buchte. Die Kosten der Zimmer lagen im Durchschnitt bei 45-60€ pro Nacht und könnten natürlich deutlich fallen, wenn man sich mit Gruppenzimmern in Hostels anfreundete. Als Vergleich: Monate später versuchte ich ein Zimmer für einen ähnlichen Preis in Rostock oder Leipzig zu finden. Es war mir einfach nicht möglich etwas mit einem Angebot dieser Art zu finden, denn in vielen der Hotels konnte ich so viel und ausgiebig ich wollte im Spa-Bereich rumlungern, mich von den Onsen weich kochen lassen und hatte große eigene Zimmer, die manchmal so groß schienen wie meine kleine Wohnung.
Außerdem war es mir einfach egal, was ich wann, wo essen oder trinken wollte. Ich folgte meinen Bedürfnissen und fand Mittel und Wege diese zu befriedigen. Natürlich ist diese Art der Wirtschaftlichkeit extrem privilegiert. Es war auch mein erster Urlaub in dieser Mentalität. Ich hatte dafür vorher meine Lebenszeit mittels Arbeit gegen Geld getauscht und wollte mir nun meine Lebenszeit wieder zurück kaufen, indem ich nicht darauf achtete, wie teuer etwas gewesen sei und ich mir eine möglichst angenehme Zeit realisierte.

Um also einen Monat mit in Japan das Rundum-Sorglos-Paket zu genießen müsste man eine gute Ladung Geld in die Hand nehmen. Doch wenn ich mir ansehe, was diese Kreuzfahrten, die aus vielerlei Hinsicht schnellstens verboten gehörten, oder eine Pauschalreise ins östliche Mittelmeer in eine miefige Hotelanlage mit einem All-You-Can-Drink Angebot, damit es alles halbwegs erträglich bleibe, kosteten, schlägt es einem die Zacken aus der Krone.

Ob ich bald wieder in den Genuss komme nach Japan zu reisen? Wahrscheinlich erstmal nicht. Würde ich es empfehlen? Ganz zweifelsohne war diese Reise extrem beeindruckend und in vielerlei Hinsicht bereichernd, also ja unbedingt!

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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